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DigiTier – Themenworkshop “Nutztierhaltung im Klimawandel“

Am 16.10.2023 fand in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) der 4. Digitier Themenworkshop statt.

Der Klimawandel ist bereits überall spürbar. In Deutschland ist seit Beginn der regelmäßigen Temperaturauf-zeichnungen die Jahresmitteltemperatur um rund 1,5°C gestiegen. Damit verbunden nahm auch die Anzahl heißer Tage zu. Auch Extremwetter-eignisse (wie Starkregen) nehmen tendenziell zu. Für die Nutztiere hat dies u.a. zunehmenden Hitzestress zur Folge und z.B. auch die Ausbreitung von Krankheitserregern. Dies ist sowohl bei der Haltung im Stall als auch auf der Weide eine große Herausforderung für Landwirtinnen und Landwirte. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Haltung von Rindern und Schweinen aktuell schon und welche (digitalen) Maßnahmen gibt es diese zu monitoren und managen? Diese und weitere Fragen wurden im DigiTier Online-Workshop am 16.10.2023 mit den Vertreterinnen und Vertretern der über DigiTier begleiteten Projekte (CERES, DigiMuh, WeideInsight, IQexpert, IoL, DigiStable, SmartSheepNet), der Digitalen Experimentierfelder (DigiMilch, DigiSchwein, CattleHub) sowie weiteren Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert.


Wir bedanken uns herzlich bei unseren Referentinnen und Referenten, die spannende Impulse zu diesem Thema geben konnten.


Prof. Dr. Hermann Swalve vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeigte in seinem Vortrag züchterische Ansätze auf, die Rinder an die veränderten klimatischen Verhältnisse anpassen können. Insbesondere zur Resilienz gegenüber Hitzestress sind genetische Anpassungen sowohl bei Rindern als auch bei Schweinen notwendig. Dieses Thema wurde bisher unterschätzt. Darüber hinaus sollte das Angebot an Zuchtwerten diversifiziert werden, damit wichtige Merkmale wie z.B. Weidehaltung und ökologische Haltung in Zuchtverfahren Berücksichtigung finden. Der Body-Condition-Score ist ein hilfreiches Instrument zur Auswahl bei Zuchttieren, das leider nicht von allen Anbietenden zur Verfügung gestellt wird.


Draußen wird es immer heißer – in unseren Schweineställen auch? Hierzu referierte Dr. med. vet. Marc-Alexander Lieboldt von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Hierbei schilderte er, welche Konsequenzen Hitzestress auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Schweine hat und was dies für die Halterinnen und Halter der Tiere bedeutet. Hitzestress ist bei Schweinen eng an altersspezifische thermoregulatorische Fähigkeiten der Tiere geknüpft und stellt eine ernste Bedrohung für die Tiergesundheit, das Tierwohl und die Produktionseffizienz dar. Die steigenden Temperaturen im Stall stellen daher hohe Anforderungen an das Management für die Früherkennung und Verminderung von Hitzestresssymptomen. Es ist ein kontinuierliches personen-gestütztes Monitoring erforderlich, das durch Sensor-gestütztes Tier- und Umweltmonitoring sinnvoll ergänzt werden kann.


Aus der Sicht der Landwirtin schilderte Frau Kirsten Wosnitza (DisKUHsion) Ihre Erfahrungen aus der Praxis und ging dabei insbesondere auf die Herausforderungen ein, die der Klimawandel für die moderne Weidehaltung mit sich bringt. Langanhaltende Witterungsperioden und Niederschläge mit Überschwemmungen machen Treibwege unzugänglich und erschweren den Zugang der Tiere zu Futter. Sommertrockenheit reduziert die Verfügbarkeit von Winterfutter und hohe Temperaturen können zu Hitzestress führen. Wirtschaftliche Weidehaltung im Klimawandel braucht ein an den Standort und Betrieb angepasstes Weide- und Herdenmanagement mit guter Infrastruktur (Tränken, Treibwege, Witterungsschutz), eine hohe Grundfutterleistung aus Gras und Futterreserven auch für die Weidesaison. Darüber hinaus bedarf es einer für den Standort passenden Weidegenetik und für die Weide ermittelter Klimabilanzen. Digitale Sensorsysteme (Futteraufnahme, Brunst, Gesundheit, Hitzestress) sollten besser an die Situation auf der Weide angepasst werden.


Dr. Gundula Hoffmann und Dr. Julia Heinicke vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. stellten in einem Video die Installationen im Versuchsstall Ihres Projektes DigiMuh vor, in dem ein Entscheidungsunterstützungssystem zur individualisierten und züchterischen Hitzestressprävention bei Milchkühen entwickelt wird. Die Tiere sind mit unterschiedlichen Sensoren (Aktivitäts-/ Wiederkausensoren, Pedometer, Pansenbolus, Atemfrequenzsensoren) ausgestattet. Die erfassten Daten fließen alle über Schnittstellen zusammen und ermöglichen so eine multifaktorielle Analyse. Den Anwendenden werden tierindividuelle Handlungsempfehlungen und Managemententscheidungen bezüglich rechtzeitig einzuleitender Gegenmaßnahmen angezeigt. Dies umfasst die Trinkwasserversorgung der Tiere, Aktivierung von Ventilatoren und Lüftungsströmen über jedem Liege- und Fressplatz und zukünftig auch noch eine Sprinkleranlage. Angestrebt wird die Entwicklung eines einsatzbereiten Prototyps der Anwendungssoftware für den ausgewählten Pilotbetrieb. Die gebündelten Auswertealgorithmen sollen dann am Ende der Entwicklung automatisiert die Klimaregulierung aktivieren.


In der Diskussionsrunde wurde die wichtige Rolle der Ressource Wasser in der Schweinehaltung hervorgehoben. Klima und Umwelt beeinflussen die Schweinehaltung noch stärker als die Rinderhaltung. Es wurde zudem betont, dass ein ganzheitlicher Ansatz für das Wohlergehen der Tiere erforderlich ist, der nicht nur die Hitze, sondern auch andere Jahreszeiten, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Weide- und Stallhaltung im Winter und die Herausforderungen des Tiertransports bei hohen Temperaturen berücksichtigt. Diskutiert wurden auch die Möglichkeit niedrigerer Stalltemperaturen zur Verringerung der Ammoniakemissionen und die generell höhere technische Ausstattung in Schweinehaltungsbetrieben im Vergleich zur Milchviehhaltung. Hitzestress wird zukünftig relevanter und erfordert Lösungen in Züchtung, Stallbau und Management. Weidehaltung gilt als zukunftsweisend, erfordert jedoch flexible Arbeitsabläufe.


Foto: Shutterstock



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